EISENBAHN UND MODELLBAU

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GOTHA am GOTHA SHET' (von Rainer Spohr, 12.2005)

Die Geschichte einer abessinischen Eisenbahnhaltestelle

Es war einmal ein Kaiser, der seinen Ur-ur-Ahnen König Salomon nannte und von dessen Geschlecht abstammte, und dieser Kaiser, genannt MENELIK, lebte im 19. Jahrhundert im wunderschönen Abessinien.

Dieser Menelik hatte einen Ausländer, einen Schweizer mit Namen ILG, ein Ingenieur, zu seinem Minister gemacht. Dieser Minister Ilg wollte den Handel wesentlich verbessern, in dem er dem Kaiser den Bau einer Eisenbahn vom Roten Meer, der Hafenstadt DJIBOUTI, bis zur Hauptstadt ADDIS-ABEBA vorschlug. Der Kaiser war einverstanden, und die Ausschreibung für den Bau gewann eine französische Unternehmensgruppe, die bald Pleite war, so dass der französische Staat die Zinsgewähr übernahm, um weiter bauen zu können.

Französischer Einfluss

Man hatte sich für eine Spurweite von 1000mm entschieden, und die Wagenbauanstalt im Rhonetal, in Lyon, die Firma "Chautiers de la Buire" baute Meterspurgüter- und Personenwagen. Die Zeichnung eines vierachsigen Drehgestell-"Saalwagen mit Schlafstellen" hat der Autor dieser Zeilen im ORGAN von 1901 gefunden.

Die Franzosen hatten bereits 1896 ein recht weit verzweigtes Meterspurnetz in Frankreich gebaut, waren also auf dem Gebiet erfahren. Nicht erfahren waren sie mit den Naturgewalten und den geografischen Bedingungen von Abessinien. Dort gab es wasserlose Wüsten, hohe Gebirge, Vulkane, Salzsteppen, weite Ebenen, Termiten, wilde Tiere und noch wildere Stämme, die den Bahnbauern einen hohen Blutzoll bereiteten. Die Holzschwellen mussten durch Eisenschwellen ersetzt werden, viele Brücken und Einschnitte und Dämme erstellt werden, und Wachmannschaften zum Schutze gegen Tiere und Räuber bereit gehalten werden.

Nachdem die ersten 308 Kilometer Eisenbahnstrecke gebaut waren, ging das Geld aus, der Bahnbau kam zu einem vorläufigen Halt. 

So baute man am jetzigen Endpunkt (und etwa noch 500 km von Addis Abeba entfernt) der Bahn von der Hafenstadt Djibouti aus eine "Stadt", genannt DIRE DABOUA (DIRE DAUA), auf einer Höhe von 1200 m über dem Meeresspiegel von Djibouti gelegen. Der Zugverkehr florierte, es wurden u.a. ausgeführt per Bahn: Kaffee, Tierhäute/Leder, Felle, Tropenhölzer, Elfenbein, Tabak, Ölsamen, Hülsenfrüchte, später auch Obst, Nüsse, Gemüse, und sogar "wilde" Tiere für die europäischen Zoos.

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Irritationen und Krieg

In den unterschiedlichen Quellen zum Thema "Bahnbaustopp" wird aber auch erwähnt, dass der Kaiser Menelik II eingesehen habe, dass der Bahnbau schädlich für sein Land Abessinien sei. Es käme zu Interessenskonflikten und Reibereien mit den Nachbarn, die alle bereits als Kolonien der europäischen imperialistischen Nationen "dienten". Da wurden England, Italien und Deutschland als mit Abessinien im Handelswettbewerb stehend genannt.

Es soll auch Irritationen mit Staatsrat Ilg, dem Schweizer, gegeben haben. Der hatte ja als mächtiger Berater des Kaisers bereits eine Telegrafenlinie von Addis Abeba nach Djibouti bauen lassen, und begründete die äthiopische Post auf der Strecke via dem - damals noch mickrigen Dorf - Dire Daua. Mit dem Franzosen Herrn Chefneux hatte Minister Ilg die Eisenbahnlinie geplant und bauen lassen, die aber (1905 !) erst bis Dire Daua reichte, somit erst einen Torso darstellte. Dabei hatte auch der Herr Ilg viel von seinem Geld investiert (und verloren). Ein weiterer Franzose muss in diesem Zusammenhang Erwähnung finden, Monsieur M. Lagarde. Er muss bei der wirtschaftlichen Erschließung Abessiniens und beim Bau der Eisenbahn von Djibouti eine sehr wesentliche Rolle gespielt haben, denn der Negus hat ihn mit dem Titel eines Herzogs von Antotto ausgezeichnet.
Bekannt ist ja die Rolle Englands mit Frankreich in der berühmten "Faschoda Affaire", in der sich England anmaßte, den Franzosen das Nildelta streitig zu machen, obwohl jene es bereits besetzt hatten und eine Eisenbahnlinie quer durch den nordafrikanischen Kontinent bauen wollten - von Senegambien bis zum Golf von Tadjura! Wie gesagt, die Briten machten den Franzosen einen Strich durch die Planung. Sie "keilten" sich zwischen West- und Ost-Afrika ein und ließen den Franzosentraum platzen.

Die Italiener berannten ebenfalls die abessinischen Grenzen, und es gelang ihnen, sich Eritrea anzueignen. Ihre weiteren Einfälle wurden aber vom Negus Menelik II. erfolgreich unterbunden (1896, Schlacht bei Adua). Wie gesagt, der Bahnbau war gestoppt. Dann starb der Negus - und sein Tod wurde lange geheimgehalten! Seine Witwe Taitu mißachtete aus eigenem Machtstreben den Willen des Verstorbenen, der den Prinzen Jassu als Thronerben einsetzen wollte. Man entriss der Kaiserinwitwe die Macht und übergab sie einem Reichsverweser, bis 1913 der Erbprinz Jassu eingesetzt werden konnte.

Nun, der Erste Weltkrieg 1914 - 1918 machte erst einmal einen Strich durch den Werdegang des neuen Negus Jassu! Durch Intrigen, auch mit Hilfe der Franzosen, wurde ihm Deutschfreundlichkeit vorgeworfen, und dass er sich auf dem Wege über die Türken den Mittelmächten anschließen wolle. Die Kaiserinwitwe Taitu hatte ihr "Süppchen"gekocht: es brach der abessinische Bürgerkrieg 1916 aus. Jassu verlor alle Schlachten. Aber die ehrgeizige Witwe Taitu war dem Adel nicht genehm, und so holte man eine andere Tochter Kaiser Menelik II. aus dem Gefängnis - nicht die Mutter des Jassus - und ernannte sie zur Kaiserin Zauditu. Da sie unbedeutend war als Herrscherin, stellte man ihr einen Berater zur Seite, den Ras Tafari, späterer Kaiser (Negus) Haile Selassi, der 1930 zum Nachfolger und letzten Kaiser der Äthiopier aufsteigen würde.

Der 1. Weltkrieg tobte noch, als 1917 Frankreich den Bahnbau mit Nachdruck wieder aufnahm, um die fehlenden 600 Kilometer bis zur Hauptstadt Addis-Abeba in 2000 Metern Meereshöhe zu vollenden - denn schließlich gehörte Frankreich zu 100% diese Bahn! 

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Das Umfeld

Bahnhofskopf gen ADDIS ABEBA; rechts die Lokbehandlungsanlage mit Grube, Wasserturm und weiteren Arbeitsgeräten (Schlacke wird 
aufgeladen). Die nach links folgenden Gleise sind das Hausgleis, das Überholungs- und das Kreuzungsgleis, sowie die (3) 
Güterwagengleise (u.a. zur Wagenhalle und zum Holzladegleis)

Dem geneigten Leser sollte klar sein, dass die Bahn vom Meer bis zur Hauptstadt eines "der reichsten Ackerbauländer der Welt" (nach Bencke) durchzieht. Ich zitiere Herrn Bencke in München, 1910, weiter: "...In den riesigen Wäldern, die sich südlich von Addis-Abeba zur Somaliküste hinziehen, wächst der Kaffee wild, in den Gebirgsgegenden des Landes wird Vieh gezogen, dessen Güte von den Reisenden gerühmt wird; das Gala Land ist reich an Bienen, daher eine Hauptquelle des Wachses, und auf den Hochebenen gedeihen die Getreide in reichen Erträgen. Abyssinien, das heute noch so gut wie abgeschlossen von der Welt ist, wird durch die Bahn zu einem Einfuhr- und Ausfuhr-Land für den Welthandel, dessen Hauptertrag Frankreich zufallen wird."

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