EISENBAHN UND MODELLBAU

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Die Dujardin-Kesselwagen von Liliput (von Herbert Haun, 03.2008)

Ein gesundes Misstrauen befällt mich stets, wenn mir in Katalogen und Zeitschriften Modelle historischer Bier- und Kesselwagen begegnen. Immerhin sind das häufig Ergebnisse des Wunsches von Produktherstellern, ihre Marken auf attraktiven Modellen spazieren fahren zu sehen, oder aber der Modellbahnhersteller möchte die Vielzahl seiner Bestellnummern um ein paar weitere ergänzen, ohne ein neues Fahrzeug konstruieren zu müssen.

So tat ich dann auch den vor einiger Zeit bei Liliput erschienenen dreiachsigen Weinkesselwagen mit Dujardin-Beschriftung mit einem leichten Achselzucken ab -

 

"hübsch - aber na ja!"

Bis mir dann beim Durchblättern des Eisenbahnbilder-Angebots der Eisenbahnstiftung Joachim Schmidt der gleiche Wagen als Bellingrodt-Foto über den Weg lief. Dieses Foto kann man dort für ein verhältnismäßig kleines Geld in einer sehr guten Digital-Abzugsqualität kaufen. Die Lieferung erfolgt schnell und ordentlich. Ein Click ins Bild verzweigt zum Angebot der Eisenbahnstiftung.

Click ins Bild: Link zur Eisenbahnstiftung; Dujardin in Suchfeld eingeben!   Foto Bellingrodt, Eisenbahnstiftung [mehr...]

Den gibt's ja wirklich, endlich mal ein Hingucker, der auch authentisch ist! Sofort besorgte ich mir das Liliput Modell L235495, laut Schachtel-Aufkleber der "Köln 540 562 DUJARDIN 1935".

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Liliputs Interpretation davon - irgendwie fehlt dem Wagen die gedrungene Kompaktheit

Das Ergebnis des ersten groben Vergleichs von Vorbildfoto und Modell zeigte eine gewisse Ähnlichkeit, aber auch reichlich Abweichungen. Zum Beispiel die Wagennummer: die ist bei Bellingrodt Köln 540 565 P und bei Liliput, wie auch die Schachtel sagt, Köln 540 562 P. Auch ist der Wagen überraschend lang und schlank in der Seiten-Ansicht. Ärgerlich, dass das Geländer am Bremserhaus total schief steht! Hier hat die Endkontrolle von Liliput / Bachmann Europe plc wohl einen recht schwachen Tag gehabt.

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Der gleiche Wagen, aber anders!

Daher ging ich erst einmal im Internet auf die Suche nach weiteren Informationen und fand den gleichen Wagen in anderer Farbgebung - bekommt man ebenfalls bei Liliput, allerdings auch mit einer etwas abweichenden Wagnnummer Köln 540 564 P.

   Die zweite Variante von Liliput

Abhilfe zu meiner anfänglichen Verunsicherung schuf Klaus Keuer per e-mail mit dem Hinweis auf ein Uerdingen-Werksfoto von ca. 1925 mit großer Verwandtschaft zur roten Dujardin-Variante. Dieses Werksfoto findet sich in dem bekannten Buch:

Jakobs, Manfred: 
Historische Güterwagen. Aus der Entwicklung von den Anfängen bis in die Reichsbahnzeit. - 
1985. 144 Seiten mit 130 Abbildungen - 22,5 x 24,5 cm quer. Gebunden. 
Georg Siemens Verlagsbuchhandlung, Berlin; 
ISBN 10:
3877490514, ISBN 13: 9783877490518

Das Buch ist hin und wieder antiquarisch zu finden, relativ teuer (gemessen an der 1985 eher mäßigen Papierqualität), aber der Inhalt ist für den Freund älterer Güterwagen ein absolutes Schmankerl.

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   War der Wagen rot? - das Foto ist S/W...

Beide Wagen können also in der Tat mit Vorbildern glänzen, doch ob die Farben so stimmen, das lässt sich heute wahrscheinlich nicht mehr ganz nachvollziehen. Es sei denn, es hätten Liliput weitere Unterlagen bei der Farbbestimmung geholfen. 

Nachfrage beim Spezialisten Wolfgang Diener hat ergeben, dass leider auch bei ihm und seinen Mitstreitern keine Fotografien oder Wagenbeschreibungen vorliegen, aus denen die Farbgebung der beiden Fahrzeugvarianten hervor ginge. Wolfgang Diener vermutet als Grundlage die zeitgenössischen Kesselwagenfarben "hellgrau" oder "dunkelgrau" der Bahnverwaltung, bei der die Wagen eingestellt waren und die dann um Logo und Anschriften ergänzt worden sein mögen. 

Hier hilft uns Stefan Carstens, der Verfasser der "Güterwagen"-Bände von Bahn&Modell und heute MIBA, weiter. Er schreibt im Oktober 2008, dass er in Abstimmung mit der Firma Racke die damaligen Hausfarben der Dujardin rekonstruiert hat. Da er wusste, dass der erstellte Wagen dem Vorbild auf Grund des Basismodells, das Liliput zur Verfügung stellen konnte, nicht gleich sein würde, hat er den Wagen verwandte anstelle der authentischen Wagennummern gegeben.

Bezüglich der Kesselwagenfarbgebung merkt Stefan Carstens an, dass die Hausfarben von Dujardin gemäß den damaligen Vorschriften für Privatwagen zumindest zulässig waren (Signalrot z.B. war untersagt). So sind ab den 30er Jahren auch gelbe SHELL-Kesselwagen belegt. Ob nun die von Liliput / Bachmann plc verwendeten Modellfarben den damaligen Farbtafeln entsprechen, kann man heute leider nicht mehr nachweisen.

Erste Schlüsse können jetzt schon gezogen werden:

  • Beide Wagen haben auf den Vorbildfotos die gleiche Wagennummer:
    Es handelt sich also um den gleichen Wagen. 

  • Das Werksfoto zeigt den Zustand von ca. 1925 mit dunklem Kessel und das Bellingrodt-Foto den Zustand nach der Untersuchung vom 26.11.1934 (das Datum ist am Langträger lesbar) mit hellem Kessel.

  • Der Vergleich der beiden Fotos zeigt unterschiedliche Dom-Aufbauten auf dem Kessel. Gegenüber dem Zustand von 1925 ist 1934 die Rohr-Armatur auf dem zentralen, großen Dom durch einen Deckel mit Spannschraube ersetzt und daneben ein weiterer, kleinerer Dom mit Deckel in Schweißausführung platziert worden. Zugleich wurden die Laufbretter verlängert.

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Einen weiteren Tipp gibt Wolfgang Breuer: "Auf der Homepage der Weinbrennerei der Familie Melcher Krefeld Uerdingen (Dujardin) sind zwei Fotos von einem ganzen Kesselzug mit vier Dreiachsern zu sehen. Es gab also mehr davon."

Matthias Melcher von der Weinbrennerei Dujardin hat uns daraufhin freundlicher Weise drei zeitgenössische Vorbildfotos zur Verfügung gestellt:

Click ins Bild zum Vergrößern    Click ins Bild zum Vergrößern

Wir sehen die besagten vier Wagen an der Fabrik und im Hafen bei Beladung und Rangiervorgängen. Zwei der Wagen haben (noch) die dunkle Farbgebung, der dritte eine helle Farbe mit weißer Schrift und der vierte Wagen helle Farbe mit dunkler Schrift. Zwei der Wagen haben die ausladenden Geländer am Bremserhaus mit den Schlussscheibenhaltern wie der Liliput-Wagen, alle Wagen sind dreiachsig.

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Auf Bildern der 1950er Jahre sind die vier Wagen noch als Privatwagen bei der DB zu sehen in nahezu unverändertem Bauzustand, aber durchwegs auf die freundlichere, hellere Farbe umlackiert.

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Optimal für 1024 x 768 Pixel - webmaster - Letzte Änderung 09.04.2009